Meile 1 bis 180 Idyllwild

Ca. Vom 6. bis 17. Mai 2017

Dann ist es soweit. Ich stehe mit der heutigen Gruppe aufgeregter Hiker am südlichen Terminus. Nur einer ist nicht aufgeregt. Mein Freund FlowerMan den ich schon aus dem Flieger kenne. Denn er ist den Trail schon im vergangen Jahr komplett gelaufen und da er das so geil fand, dachte er sich, er läuft ihn einfach nochmal. Nach jeder Menge Gruppen- und Einzel Bildern starten alle nach und nach. Ich schließe mich dem Tross als vorletzter an und starte meine unglaubliche Reise. Nur FlowerMan sitzt noch am Terminus und bindet sich seelenruhig die Schuhe zu.

Die ersten fünf Tage auf dem Trail und ich bekomme schon alles an Wetter zu spüren was der Trail zu bieten hat. Hitze,Kälte, Schnee und stark Regen, inklusive meiner ersten Flussüberquerung mit komplett nassen Schuhen. So weiß ich wenigstens direkt worauf ich mich da einlasse. Und es macht richtig viel Spaß. Noch am ersten Tag werde ich am Fluß von FloweMan auf meinen Trailnamen getauft: CatWeazle. Nach dem Zauberer aus einer Englischen Tv-Serie dem ich wohl ein bisschen ähnlich sehe. Das verrückte daran ist allerdings, dass nur wenige Tage nachdem ich getauft wurde der echte Schauspieler von CatWeazle stirbt. Ein wenig spoky.  In Mount Laguna komme ich am legendären Outfitter vorbei. Ein Outdoorladen der alles hat was das Thru-Hiker Herz sich nur wünschen kann und das alles auf kleinstem Raum. Leider ist das Fotografieren im Store verboten. Also müsst Ihr wohl mal vorbei schauen um euch den Wahnsinn anzuschauen.Die Leute vom Store helfen immer gerne, wenn es darum geht den Rucksack leichter zu machen. Und somit wird häufig direkt vorm Geschäft eine große Plane ausgebreitet und der Rucksackinhalt eines Hikers wird genauesten unter die Lupe genommen. Die Leute da sind einfach super.

Obwohl es für mich eigentlich durch die Wüste gehen sollte, ist das Wetter angenehm kühl und es gab viel Feuchtigkeit. Damit hab ich echt Glück denn so ist es einfacher sich an die täglichen Strapazen des Trails zu gewöhnen. Täglich 8-9 Stunden laufen, das ist für den Körper sehr ungewohnt. So komisch das jetzt klingen mag, ja es ist anstrengend und ich spürte meinen Körper völlig neu, doch konnte ich dieses neue Gefühl sehr gut annehmen und das wo ich jetzt wirklich kein top Sportler bin. Der Trail trainiert mich und das immer schneller und schneller.

Der nächste Stop auf der Route ist die Stadt Julian. Doch zunächst wird es jetzt dann erstmal doch richtig heiß. Ich lerne nun die Wüste kennen. Zeit für mich meinen Sonnenschirm zu testen. Den habe ich mir extra für die heiße Wüstenzeit gekauft um meinen eigenen Schatten dabei zu haben. Doch wirklich nützlich war er nur, wenn kein Wind wehte. Denn ein ultra leicht Schirm schlägt sehr leicht um. Also konstruierte ich den Schirm etwas um.

Da Julian nicht direkt am Trail liegt wird es für mich Zeit, das erste Mal den Daumen herauszustrecken. Ich stand an einer Straße und musste per Anhalter in die Stadt. Ich dachte wirklich das es eine ganze Zeit dauern würde bis ein Fahrer kommt der Anhalter mitnimmt. Tatsächlich warte ich gerade mal 5 Minuten. Durch einen Glücklichen Zufall. Der erste Wagen der anhält und mich mitnehmen will, fährt leider in die falsche Richtung. Doch durch diesen Stop hält auch der Wagen hinter ihm an. Darin sitzt ein nettes Paar um die 60 und Fragen ob irgendwas passiert sei. Es ist alles in Ordnung ich suche nur eine Mitfahrgelegenheit. Und so nehmen die beiden mich mit, obwohl sie nie Anhalter mitnehmen. Ein bisschen Glück gehört zum Spiel und es hilft sehr freundlich und höflich zu sein. In Julian gibt es dann für Hiker eine Überraschung. Ein Café bietet allen Thru-Hikern kostenlos ein Stück Kuchen an, mit Eis. Das war mit Abstand der leckersten Apfelkuchen meines Lebens. Beim Abendessen treffe ich einen Hiker wieder den ich in der Wüste mit seinem Hund schon getroffen hatte. Er hat einen knall roten, von der Sonne gut durchgebraten Kopf. Ihm ging noch einige Meilen vor der Stadt das Wasser aus. Alles was er hatte gab er ab da an nur noch seinem Hund der genau wie er unter der Hitze litt. Er selbst dehydrierte immer mehr, kam aber noch schnell genug in der Stadt an und trank erstmal 3 Liter Wasser. Das Erlebnis reicht ihm. Er bricht den Trail nach nur wenigen Tagen ab.

Aus der Stadt wieder auf den Trail zu kommen war noch einfacher, denn dort gibt es Trail Angels. Carmen hat dort ein Café und beherbergt jedes Jahr viele Hiker. Zur Begrüßung bekomme ich eine Umarmung und ein kostenloses Bier. Zusammen mit anderen Hikern genieße ich den Vormittag bei Ihr auf der Terrasse. Ihr Café ist derzeit geschlossen. Sie muss die Küche renovieren. Auflagen vom Gesundheitsamt oder so…Auch andere Trail Angels gesellen sich dazu und fahren mich zusammen mit den anderen wieder raus in die Wüste.

Die ersten 100 Meilen sind geschafft. Ich fühlte mich so großartig. Es ist ein so unglaublich freies Gefühl hier draußen, das nur schwer in Worte zu fassen ist. Als ich die ersten Male darüber nach dachte den PCT zu laufen hätte ich nie gedacht es jemals wirklich zu tun. Und jetzt bin ich schon 100 Meilen auf ihm gelaufen. Einfach nur der Wahnsinn.

Nachdem ich meinen Schirm mit entsprechenden Verstärkungen versehen hatte leistete er mir treue Dienste. Egal ob es windig wurde oder sogar stürmte. So kam ich in der Wüste gut voran. Es geht auf Warner Springs zu und damit dem Eagle Rock.

In Warner Springs ist am Resource Center ein beliebter Hiker Treff. Denn dort kann gezeltet werden und vom Nahe gelegenen Post Office kann man sich schnell sein Resupply Paket abholen. Ich treffe auf ein Pärchen das den PCT zusammen läuft. Wir kommen ins Gespräch während sie sich unter schmerzverzerrtem Gesicht die Socken auszieht. Was da das Licht der Welt erblickt, ließ mich im wahrsten Sinne zusammen zucken. An Ihren Füssen hatte Sie kaum noch Haut. Die Riesigen Blasen waren schon lange geplatzt und die Tote Haut war weg. Sie lief im wahrsten Sinne auf rohem Fleisch. Sie sah meinen entsetzten Blick und schüttelte nur den Kopf. Wie sie es bis hierher geschafft hätte wüsste sie auch nicht. Doch jetzt würden die beiden den Trail sowieso verlassen um auf eine Familienfeier zu gehen die sie nicht verpassen wollten. Mit diesen Füßen wäre an weiter laufen sowieso nicht zu denken. Beide wollten den Trail aber auf jeden Fall später fortsetzten. Und das taten sie auch. Kurz vor der Mitte des Trails, nach über 1000 Meilen,  traf ich die beiden wieder. Sie kamen mir entgegen. Beide erkannten mich sofort, doch ich brauchte einen Moment um die bekannten Gesichter einzuordnen. Wir setzten uns für eine halbe Stunde zum quatschen auf den Trail und erzählten uns unsere Storys, dann ging es für uns weiter in entgegengesetzte Richtungen.

Die Duschen in Warner Springs kann ich nur als legendär bezeichnen. Man kann sich große Eimer nehmen mit Warmen und kaltem Wasser befüllen, je nach Geschmack und dann in einer der Holzkabinen mit Karaffen über den Kopf gießen. Einfach herrlich. So geht es erfrischt weiter auf den staubigen Trail. Mein Kopf ist die ganze Zeit über sehr ruhig. Es plagen mich keine Gedanken an zu Hause. Kein Heimweh. Tatsächlich fällt es mir hinter Warner Springs das erste Mal richtig auf, wie entspannt ich mich fühle. Obwohl der Trail wirklich anstrengend ist und an meinen körperlichen Kräften zerrt. Fühlt sich meine Seele immer wohler. Hier beschleicht mich das erste Mal das Gefühl, dass ich es wirklich bis nach Kanada schaffen könnte.

Doch auch meine Füße machen mir langsam zu schaffen. Meine kleinen Zehen reiben in meinen Schuhen und auch ich bekomme immer schneller Blasen an meinen Zehen. Zum Glück gibt es im nächsten Ort ein Outdoorgeschäfft. ich hoffe dort eine Lösung zu finden. Und dann bekomme ich noch ein viel größeres Problem. Meine linke Achilles Sehne fängt an zu schmerzen. Es wird so schlimm das ich anfange zu humpeln. Am morgen bevor ich das Paradies Valley Café erreichen möchte, bin ich unglaublich langsam geworden. Doch als ich ein paar Hiker treffe die mir sagen, dass das Café nur bis 15 Uhr auf hat, beflügeln mich die Vorfreude auf einen der leckersten Burger auf dem Trail noch einmal und ich gebe alles.

Während ich also durch die Wüste haste um meinen verdienten Burger zu bekommen, zeigt sich die Pflanzenwelt von Ihrer schönsten Seite. Die Wüste blüht. einfach wundervoll.

Am nächsten Tag erreiche ich mein nächstes Etappen Ziel: Idyllwild. Wenn es ein Städtchen gäbe an dem ich mich niederlassen könnte dann wäre es diese Kleinstadt. Tolle Cafés und Restaurants, nette Menschen und ein Outfitter der mir neue Schuhe und Socken verkaufte mit denen ich keine Blasen oder Schmerzen mehr bekommen sollte. Einfach toll.

In Idyllwild heisst es auch erstmal Abschied nehmen von meinem Freund FlowerMan. Ich werde hier einen Tag pausieren, einen Zero Day machen. Er wandert schon weiter. So trennen sich unsere Wege vorerst.

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