Meile 701 bis 1370 Old Station

Ca. 26. Juni bis 9. August 2017

In Kennedy Meadows lege ich einen ganz entspannten Zero Day ein bevor es in die High Sierra geht. Dieser Ort hier ist echt legendär unter Hikern. Jeder hat sich ein vollgestopftes resupply Paket hier her gesendet. Darin enthalten, neben jeder Menge Essen, auch das Winter Gear. Also wärmere Kleidung, Micro Spikes, Eisaxt und was sonst noch so gebraucht wird um die intensivste Strecke des PCT zu meistern. Ich hatte mein Paket noch vor dem Start, also von Scott und Frodo, aus hier her geschickt. Nur nach sechs Wochen auf dem Trail hat sich mein Geschmack sehr verändert. Deshalb bin ich heil froh mir aus der letzten Stadt ein zweites Paket mit Leckereien geschickt zu haben. Denn beim Blick in das Erste wird mir spontan übel. Macht aber nix. Den Inhalt kippe ich auf einen der Tische und rufe laut: „Free Food!“. Es dauert keine drei Minuten dann ist nichts mehr übrig. Denn wenn Hiker etwas können, dann ist das Essen. Und damit lieben wir geschenktes Essen. Auch in meinem Paket enthalten….der Bärenkanister. Der ist in der High Sierra Pflicht. In den soll alles Essen rein und über Nacht weit außerhalb des Zeltes gelagert werden. Damit Bären nicht ans Essen kommen bzw. nicht ins Zelt spazieren weil sie was zu Essen riechen. Dieser blöde Kanister wiegt ein Kilo!!! Und außerdem passt da nicht das Essen für acht Tage für einen hungrigen Thru-Hiker rein.

Rückblickend würde ich in Kennedy Meadows allerdings keinen Zero Day mehr machen. So legendäre er Ort auch ist, durch die Abgeschiedenheit hier draußen ist er sehr teuer. Deshalb würde ich eher raten hier nur schnell schnell sein Paket abzuholen und weiter zu laufen. Da geht ne Menge Geld weg.

Hier treffe ich auch auf meine zukünftige Truppe mit der ich durch die Sierra laufen werde. Ich weiß das allerdings noch nicht, denn mein Plan ist bisher allein weiter zu ziehen. Daher stopfe ich meinen Proviant und meine Ausrüstung in meinen Rucksack und stelle erschrocken fest das dieser mit über 18 Kilogramm ultra schwer ist. Ich hoffe das ich das schlimmste Gewicht schnell runter Esse. Denn wenn du auf dem Trail Gewichtsprobleme hast….ganz einfach… mehr essen und trinken, dann wirst du leichter.

Schon wenige Meilen, nachdem ich Kennedy Meadows verlassen habe, verändert sich die Landschaft unglaublich schnell. Von der Wüste keine Spur mehr. Es wird grüner und endlich gibt es wieder öfter Wasserquellen. Der Rucksack wiegt durch das viele Essen und die Winterausrüstung über 18 kg. Das ist eindeutig mein Limit. Anfangs muss ich alle 30 Minuten eine Pause machen und mich erholen. Ich überlege ernsthaft nochmal zurück zu marschieren und mein Gewicht zu reduzieren und somit die Etappenlänge zu verkürzen. Es dauert etwas bis ich mich an das Gewicht gewöhnt habe. Doch glücklicherweise treibt mich mein innerer Schweinehund auch diesmal immer weiter nach vorne und lässt nicht zu das ich einen Schritt zurück mache. Und siehe da, nach ein paar Stunden geben meine Knie nicht mehr so leicht unter dem Gewicht nach. Nach zwei Tagen erreiche ich den ersten Bergsee. Und dieser liegt so ruhig und friedlich dort, das ich eindeutig weiß: jetzt bin ich in der High Sierra angekommen.

Von hier aus geht es in Richtung Mt. Witney. Der höchste Berg Amerikas (ausgenommen Alaska) liegt nur einen Tagesmarsch vom PCT entfernt und ist somit ein muss. Die meisten Hiker zelten ein gutes Stück vom Berg entfernt bei einer Rangerstation. Dort kann man seine Ausrüstung, die für den Tag nicht gebraucht wird, in sicheren Bärenboxen verschließen. Doch da der Tag noch jung ist marschiere ich einfach dichter an den Berg heran. Muss ich am nächsten Morgen nicht so weit laufen 😛 Doch der Schnee wird immer mehr und dicker. Am Guitar Lake finde ich gerade noch ein ebenes Plätzchen um zu Zelten und das schon auf knapp 4000 Metern höhe. Der See ist halb zugefroren und kaum ist die Sonne untergegangen wird es bitter kalt. Eine der kältesten Nächte für mich auf dem PCT. Mit aller Kleidung die ich habe kuschel ich mich in meinen Quilt ein.

Meine erste Fluss Überquerung. War ziemlich abenteuerlich.

Obwohl ich schon ziemlich hoch gezeltet habe ist der Aufstieg auf Mt. Witney noch ein ganzes Stück und echt anstrengend. Immer wieder muss ich große Schneewehen überqueren die über den Trail reichen. Doch es lohnt sich! Die Aussicht ist herrlich, ich habe klare Sicht und die Sonne scheint. Ich habe mir gefriergetrocknetes Rührei mit hier herauf genommen und koche es mir in einer Wind geschützten Ecke. Auf dieser Höhe braucht es wirklich lange bis mein Gaskocher das Wasser zum Kochen bringt. Doch der Gasverbrauch ist mir diesmal egal. Hier oben bei dieser Aussicht ein Rührei zu genießen, das ist schon was.

Runter von Mt. Witney und zurück auf den Trail zu kommen geht tatsächlich ziemlich zügig. Kaum bin ich am Guitar Lake suche ich meine Sachen zusammen die ich im Schutz eines großen Felsens hier unten gelassen habe. Zu meinem erschrecken stelle ich fest, das die Plastiktüte die um meine Iso-Matte war völlig von Murmeltieren angefressen wurde. Ich hoffe ersthaft das kein Loch in die Matte gefressen wurde. Denn sonst werden die nächsten Nächte verdammt kalt und hart auf dem Boden. Deshalb bleiben also alle meistens bei der Rangerstation. Damit nichts angefressen wird. Doch ich habe Glück. Als ich mein Zelt, zurück auf dem PCT, aufbaue und auch die Luftmatratze aufpuste, ist kein Loch drinnen. Schwein gehabt. Da der Tag mir echt in den Knochen steckt, geniesse ich den Rest des Abends in meinem Zelt und schlafe noch im hellen ein. Am nächsten Tag starte ich früh und ausgeruht wieder auf den Trail. Ein kleines Stück den Trail entlang treffe ich dann auch auf meine Gruppe mit der ich von nun an den Trail durch die Sierra laufen werde. Allein ist es bei den Schnee und Wassermassen einfach zu riskant. Die Begegnung ist eher zufällig und so komme ich quasi in die bestehende Gruppe, die schon seit einer ganzen Weile so zusammen läuft, hinein. Die nächsten Tage sind ab jetzt alle ziemlich gleich und zeitlich durch getaktet. Früh morgens aufstehen und Sachen einpacken. Denn morgens ist der Schnee auf dem ich laufe natürlich noch von der Nacht gefroren und es läuft sich besser. Denn es geht jeden morgen einen Pass hoch. Und dann natürlich auf der anderen Seite wieder runter. Dort unten stehen dann aufgrund des Schmelzwassers ziemlich viele Wasserquerungen an. Das Wasser ist arschkalt. Manchmal sind die Flüsse klein und leicht zu durchqueren. Wieder andere sind sehr breit und tief. Es geht von knöcheltief, im wahrsten Sinne, bis zum Hals. Natürlich immer mit schnelleren oder langsamerer Fließgeschwindigkeit. Es wurde nie langweilig und für die nächsten drei Wochen waren die Füße eigentlich immer Naß. Die ersten Pässe sind direkt die höchsten und danach nehmen sie langsam an Höhe ab. Zwischendrin musste ich dann natürlich auch aus den Bergen hinaus um Nachschub zu besorgen. Alles in allem ist dies der anstrengendste und aufwändigste Teil des Trails. Aber auch eindeutig der mit den krassesten Eindrücken.

Da oben in der Mitte. Diese kleine Ausbuchtung im Schatten. Das ist der Forrester Pass. Der höchste Punkt des PCT.

Es gibt aus der Sierra so viel zu erzählen und doch finde ich nicht wirklich Worte um das erlebte so zu beschreiben, dass es, für die unter euch die noch nicht das Privileg hatten so etwas zu erleben, wirklich zu fassen wäre. Das maßlose Gefühl von Freiheit, frischer Luft und dieser unendlichen Berglandschaft ist so unglaublich berauschend und belebend das ich jeden Tag auf eine intensive Weise erleben darf, das es mir jetzt noch die Tränen in die Augen treibt wenn ich daran zurück denke. Ich wünsche dir von ganzem Herzen, das auch du so etwas erleben wirst. Nur verliebt sein ist schöner. Am Abend sitzen wir immer alle ums Feuer herum. Die Schuhe und Socken sind noch klatsch nass von den Flussquerungen. Am Feuer versuchen wir sie jeden Abend zu trocknen um morgens nicht in kalte und nasse Strümpfe zu müssen. So wirklich von Erfolg gekrönt ist das aber nicht. Immer wieder legt jemand seine Socken etwas zu dicht ans Feuer. Und das Material fängt schnell an zu brennen. Trotz schnellem löschen… das Loch ist in der Socke oder noch schlimmer in der Einlage. Damit sind Reibung und Blasen vorprogrammiert. Und trotzdem, wir versuchen es jeden Abend auf neue.

Einfach gerade durch. Viel überlegen hilft da nicht. Eine normale Flußquerung auf dem PCT.

Der Sonara Pass läutet das Ende der High Sierra ein. Nicht das die Berge hier einfach aufhören, doch der härteste Teil liegt hinter mir. Obwohl ich alle meine Hiker aus unserer Gruppe mehr als nur ins Herz geschlossen habe, werde ich von hier aus alleine weiter wandern. So angenehm die Gruppe ist. Es ist für mich in den letzten Tagen in der Sierra nicht einfach gewesen mich immer nach den Gruppenentscheidungen zu richten. Und hier trennen sich unsere Wege sowieso. Die Gruppe möchte für Ihren Resupply in die naheliegende Stadt. Mir reicht der Besuch nach Kennedy Meadows North (ja es gibt zwei davon). Ich habe mir dort ein Paket mit Verpflegung hin geschickt und habe dadurch einen viel kürzen Hitch von nur 8 Meilen vor mir. Doch auch KM North ist ein absoluter Hiker Treff. Ich treffe auf viele neue Bekanntschaften die ich auf der weiteren Strecke des PCT immer wieder sehen werde. Der Trail ist halt ein Dorf.

Bis nach Old Station laufe ich für mich allein. Und ich muss wirklich sagen, das ich diese Zeit sehr genieße. Der Trail ist wunderschön und abwechslungsreich. In South Lake Tahoe reduziere ich nochmals mein Rucksackgewicht (mehr dazu in meine Ausrüstung). Von dort aus versende ich auch zum ersten Mal eine große Menge Pakete (mehr dazu unter Resupply Special). Dafür brauche ich tatsächlich zwei Tage. Und da es das erste mal ist das ich so eine logistische Meisterleistung vollbringen muss, bin ich tierisch gestresst. Als ich das letzte Paket dann endlich in einem UPS Store abgegeben habe, freue ich mich umso mehr wieder auf den Trail zu kommen und endlich wieder einfach nur laufen zu können. Unterwegs bekomme ich das Vergnügen auf Trail Angels zu stoßen die an einem Rastplatz campen und für die vorbeikommenden Hiker kochen. Ich komme zum Frühstück vorbei und bekomme neben Pan Cakes zwei Spiegeleier und frische Pflaumen aus dem Garten serviert. Ein Traum gegenüber meinem normalen Frühstück, das aus Müsli und Wasser besteht.

Als ich Old Station erreiche ist das Post Office, in dem mein Paket liegt, leider schon geschlossen. Da ich doch etwas kaputt bin versuche ich im Motel ein Zimmer zu bekommen. Doch ich habe echt Pech. Alles voll. Sogar der Campingplatz ist voll. Doch zumindest kann ich die gute Frau dazu bringen mir eine Dusche zu verkaufen. Die hab ich nämlich nötig. Ich kaufe mir im Store noch schnell ein paar Bier und Snacks und verkrümmle mich unter eine heisse Dusche. Es sind ja oft die kleinen Dinge die einem den Tag retten. Was gibt es also schöneres als ein kaltes Bier unter der heissen Dusche zu trinken. Nach dem ich wieder sauber bin schnapp ich mir meinen Kram und laufe ein Stück zurück auf den Trail. Dort schlage ich mein Zelt auf und mache mir ein reichhaltiges Abendessen. Da mein Nachschub morgen schon auf mich wartet kann ich nach Herzenslust alles aufessen. Kurz bevor ich mich schlafen lege kommt noch eine Gruppe Hiker an. Ich traue meinen Augen nicht. Mile Stone läuft auf mich zu und wir fallen uns in die Arme. Sie habe ich kurz vor Hiker Town, also noch in der Wüste, zusammen mit Ihrem Hund getroffen. Wir haben uns sehr gut verstanden umso schöner ist es sie wiederzusehen. Ihren Hund hat Sie nach Hause geschickt. Die Sierra ist für einen Hund zu gefährlich. Nach der Wiedersehensfreude falle ich müde auf meine Iso Matte und schlafe genüßlich durch.

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