Kungsleden Tag 1-5

Tag 1

Endlich am Bahnhof. Obwohl ich an der Nordseeküste bin, meint es der Sommer heute mehr als gut. Es sind 30 Grad. Normalerweise eine seltene Temperatur hier am Meer. Ich sitze mit meinem vollen Rucksack am Gleis 3 und warte auf den Zug. Obwohl ich voller Vorfreude bin, sitze ich ganz ruhig da. Die Entspannung setzt mittlerweile sehr schnell ein. Die Sorgen der zivilisierten Stadt fallen von mir ab und mein Kopf wird still. Auch er freut sich wieder auf die abgeschiedene Natur. Es geht nach Schweden. Das erste Mal für mich. Auch zum ersten mal dabei: mein neues Packraft. Ich freu mich riesig darauf mit ihm über ein paar Seen und Fjorde zu paddeln. Gestern Abend beim probe packen hatte ich einen halben Panikanfall. Ich bin daran verzweifelt einen passenden Platz am Rucksack für das Ding zu finden. Im Rucksack will ich es nicht haben, wegen Nässe und Dreck. Also bleibt nur außen, doch die erste Idee, es einfach unter den Rucksack zu schnallen scheiterte an möglichen Aufhängungspunkten am Rucksack. An die Seite war dann blöd wegen der Gewichtsverteilung. Zum Schluss packte ich die Isomatte an die Seite und das Packraft kommt oben drauf wo sonst die Matte ist. Insgesamt habe ich durch das Boot gut 2,2 kg extra Gewicht dabei. Zusammen mit noch ein klein wenig extra Gedöns habe ich ein Base weight von 8,6 kg. Ich bin gespannt ob ich das Gewicht noch verfluchen werde. Jetzt gehts aber erstmal wieder los. Nach draußen, raus aus dem Trubel und rein in die wunderschöne Einsamkeit von Nordschweden.

Tag 2

Anflug auf Stockholm. Schon der Blick aus dem Flugzeug Fenster ist irgendwie spektakulär. Die Landschaft ist von großen Seen und Fjorden durchzogen. Die verschieden Grün- und Blautöne  wechseln sich in wunderschönen, natürlichen Formen ab. In den großen Wasserflächen sind viele kleine und auch größere Inseln zu sehen. Ich freu mich schon durch so eine tolle Landschaft zu laufen und natürlich auch zu paddeln. Kiruna ist wirklich einer der kleinsten Flughäfen die ich bisher gesehen habe. Das Gepäckband ist genauso klein. Dafür ist das hier definitiv der Platz zum wandern. Das Gepäckband wird von Trekking Rucksäcken dominiert. Der Bus, der ins Zentrum von Kiruna fährt, hält direkt vor der Tür. Für ca.11€ gehts in die kleine Stadt. Im Bus fällt meine Reisenervosität dann von mir ab. Das Hostel in Kiruna liegt nur 3 Gehminuten vom Busbahnhof entfernt. 

Auf dem Weg komme ich gleich an zwei Outdoor Geschäften vorbei und kaufe direkt eine kleine Gas Kartusche. Dem Hostel ist auch ein Restaurant angeschlossen in dem ich ein leckeres Rentier Stew esse. Der Abend geht mit dem kontrollieren der Ausrüstung schnell zu Ende und so bleibt nur ein kurzer Plausch in der Küche mit den vielen anderen Kungsleden Hikern. Ich gehe früh ins Bett und obwohl ich echt müde bin kann ich natürlich nicht direkt einschlafen. Mein Kopf rotiert noch ziemlich. Außerdem ist die Matratze echt durchgelegen.

Tag 3

Nach einem tollen Frühstück, sogar mit Ananas, bringt mich der kostenlose Shuttle Bus vom Busbahnhof zum neuen Kiruna-Zug-Bahnhof. Der ist genau so klein wie ich ihn mir nach dem Flughafen vorgestellt habe. Es gibt genau ein Gleis. Wie schön einfach hier oben im Norden. Ich liebe es. Durch eine eindrucksvolle Landschaft fährt der Zug ganz entspannt bis zum Startpunkt des Kungsleden. Aus dem Zug führt mich mein erster Weg zur Abisko Fjällstation. Zum einen um sie mir anzusehen und um den Shop auszukundschaften. Immerhin möchte ich mich die nächsten Wochen aus diesem Sortiment ernähren. Auf die Preise gehe ich besser nicht näher ein. Die sind natürlich der Angelegenheit entsprechend hoch. Der Shop ist allerdings extrem gut ausgestattet. Im Shop gibt es alles an Ausrüstung was sich ein Wanderer wünschen bzw. gern zu Hause vergessen hat. Auch, sich hier komplett auszustatten wäre möglich. Das Essens Angebot ist wirklich reichhaltig.

 Wenn auch nicht gerade auf Leichtigkeit abgestimmt. Dafür wird es aber ja auch fast täglich die Möglichkeit zum einkaufen geben. Ich schnappe mir etwas Kartoffelpüree und eine Dose Köttbullar fürs bald anliegende Mittagessen und laufe los. Es ist für meine gewohnten Verhältnisse echt voll auf dem Trail. Kein Wunder in der Hauptsaison. Es geht angenehm flach immer am Fluss entlang durch recht kurz geratene Birkenwälder. Also eher Birkenbüsche. Stück für Stück lässt das laute Rauschen des herabkommenden Flusses nach und er fließt ruhiger. Der Trail ist mehr als gut markiert. Navigieren ist hier nicht nötig. Dafür muss ich mich hier und da ziemlich auf die Füße konzentrieren. Es liegen vielen Holzplanken aus damit auch ja niemand durch eine kleine Pfütze laufen muss. Insgesamt komme ich zügig voran, doch ich merke das mein Rucksack schwerer ist als sonst. An einer schönen Bucht abseits des Weges mache ich meine Mittagspause und genieße köttbullar. Nach einer Stunde geht es weiter in Richtung der Abiskojaure. Eine Hütte direkt am Fluss mit Sauna, Shop und Betten. Ich komme am Nachmittag an und beschließe, das ich keine Lust auf den Trubel an so einer Hütte habe und laufe nach einem Bier weiter. Kaum bin ich zurück auf dem Trail, verwandelt er sich auch endlich in einen anspruchsvollen Trail. Es geht gut bergauf und der Untergrund wird steiniger. Jetzt werden auch die Moskitos immer nerviger. Ich lege nochmal etwas Spray nach um nicht überwältigt zu werden. Ohne anti Mücken Spray wird man hier sofort aufgefressen. Das fällt mir auch an meinem Zeltplatz auf. Ich dachte mir schön am See um ggf. schwimmen zu gehen. Naja auch ich darf mal träumen. Schon während ich das Zelt aufbaue fallen Horden über mich her. Da verkrieche ich mich lieber direkt ins Zelt. Nachdem ich die mit Insassen ermordet habe, gibts Abendessen mit einer schönen Aussicht auf den See und die Berge. Nur mit dem schwimmen wird es nix. Achja und natürlich bleibt es hier noch hell. Sonnenuntergang Fehlanzeige. Die Mücken klopfen an die Zeltwände als ob es leicht regnen würde. Damit gute Nacht.

Kleiner Exkurs an dieser Stelle: Ich war mehr als überrascht zu sehen was hier die durchschnittliche Rucksack Größe ist. Die meisten tragen hier 80 +Liter. Das bedeutet das die meisten hier mit ca. 20-25 Kilogramm Gewicht unterwegs sind.  Zwar habe ich mir diesmal auch ein paar extra Kilos zugemutet, allerdings empfinde ich dieses Gewicht auf diesem Trail als maßlos übertrieben und ungesund.

Tag 4

Die erste Nacht auf dem Trail halt. Wenig spektakulär, nicht mega gut geschlafen und es war immer hell. Ich will mir mal den Wecker abgewöhnen und habe somit lang geschlafen. Bis sieben Uhr. Dösig zaubere ich mir ein Frühstück aus den mitgenommen Salami- und Brotscheiben vom Hostel in Kiruna und dem Rest Tunfisch vom Vorabend. Dann gehts zügig zurück auf den Trail. Dieser folgt einer Wahnsinns Landschaft. Es geht fast die gesamte Strecke bis zur nächsten Hütte am Seeufer vorbei. Diese Seen sind eigentlich ein großer Fluss. Da lasse ich es mir natürlich nicht nehmen und gehe mich im kalten nass abkühlen. Auch meine Klamotten vertragen eine Wäsche und bei der Sonne ist alles ratz fatz wieder trocken.

 Immer weiter folgt der Trail dem Fluss durchs Tal bis zur Hütte. Dort gibts erstmal ein schönes Mittagessen. Kochen darf ich, als Mitglied des schwedischen Tourismusverbandes, kostenlos in der Küche. Ich hatte gehofft, das es möglich ist an den Hütte ein bisschen Strom fürs Handy zu tanken. Leider Fehlanzeige und so muss die Powerbank herhalten. Hoffentlich ist es an den größeren Fjällstation möglich Strom aufzuladen, sonst hab ich ein Problem. Nach dem Mittag folgt der Trail zunächst noch dem Fluss, diesmal über eine Brücke auf die anderen Seite. Dann knickt er langsam ansteigen in Richtung des höchsten Punkt des Kungsleden, in Richtung Berge, ab. Bevor ich den Pass in Angriff nehme, schlage ich aber erstmal an einem Fluss mein Zelt auf. Die Moskitos hier sind tatsächlich gnädiger. Somit wasche ich noch den Rest meiner Sachen durch und lege mich selbst auch in das flache Flussbett. Das Abendessen wartet schon, auch wenn ich es noch kochen muss.

Tag 5

Die Sonne brennt um kurz nach sieben schon unbarmherzig aufs Zelt. Es ist jetzt schon echt warm. Bloß schnell raus aus dem Schlafsack. Für mein Empfinden hab ich irgendwie zu lang geschlafen, dafür echt gut. Die Aussicht auf den Fluss und die Berge zieht mich sofort wieder in seinen Bann. Aus der letzten Hütte habe ich mir Ei-Pulver und Knäckebrot mitgenommen. Das Ei brennt natürlich tierisch im Topf an. Es ist überraschend geschmacksneutral. Zusammen mit dem Knäckebrot und den etwas unfreiwilligen röst-Aromen aber doch gut zu essen. Das wichtigste: es sättigt richtig gut. Ich bin es ja gar nicht gewohnt, morgens Leute vor mir auf dem Trail zu sehen. Also packe ich rasch zusammen und beginne den Aufstieg zum Pass. Dem höchsten Punkt auf dem Kungsleden. Der Pass erweist sich als schön aber auch unspektakulär. Der wahre Hammer kommt erst beim Abstieg auf der anderen Seite. Ich blicke auf ein langgezogenes Tal, das von den Bergen ringsum mit Wasser gespeist wird und sich ein wunderschöner Fluss hindurch gebildet hat. Sofort denke ich an mein Packraft. Also nix wie runter. Ich bin tatsächlich etwas zu schnell unterwegs und komme etwas ins Stolpern, kann mich aber noch fangen. Hier im Tal schlägt die Hitze mit aller macht zu. Es gibt weder Sträucher noch Bäume. Also auch kein fitzelchen  Schatten. Bei der hohen Luftfeuchtigkeit schwitze ich so stark wie nicht mal in der wüsste von New Mexiko. Ich freue mich als der Fluss endlich, von weitem, tief genug aussieht um drauf paddeln zu können. Also marschiere ich querfeldein zum Fluss. Die nächsten 3-4 Kilometer will ich auf dem Wasser verbringen. Super Nebeneffekt: keine Menschen mehr. Der Start verläuft etwas holprig. Im wahrsten Sinne. Ich setzte mit meinem Bötchen nämlich mehrmals auf dem flachen Grund auf. Dafür ist das paddeln soooooo schön. Kein Rucksack mehr auf dem Rücken und es ist auch deutlich kühler. Ich genieße jeden Moment! Auch das anlanden funktioniert problemlos. Bevor ich wieder zum Trail marschiere, springe ich zur Abkühlung nochmal ins Wasser. So erfrischt erreiche ich nach kurzer Zeit die Hütte für ein deftiges Mittagessen. 

Das Bier im Kühlschrank hat mich zu sehr angelacht und so habe ich eins in der Hitze getrunken was ich beim loslaufen auch sofort spüre. Der Trail folgt weiter den Flusslauf. Die Landschaft ist auf unspektakuläre Weise spektakulär. Doch gerade diese Einfachheit der Landschaft macht sie so atemberaubend. Ich knicke auf einen kleinen Seitentrail ab. Hier laufe ich einen kürzeren Weg zum Kebnekaise, dem höchsten Berg Schwedens. Den möchte ich am nächsten Tag erklimmen. Bevor es steil nach oben geht schlage ich am Fluss mein Lager auf. Hier bin ich zum ersten Mal weit und breit allein.