South Fork - Salida

Am nächsten morgen geht es nur schnelle 7 Meilen bis in die Stadt South Fork. Dort habe ich mir eine neue Bauchtasche hinschicken lassen und meine Begleitung muss auch was von der Post abholen.
Sie muss dringend eine längere Pause machen um Ihre Füße heilen zu lassen. Über einen Bekannten bekommen wir eine Nummer von einer Freundin von ihm in Pagosa Springs. Somit trampen wir von South Fork nach Pagosa.
In Pagosa bleiben wir für 4,5 Tage. Meine Begleitung kann ihre Füße pflegen und ich mich damit beschäftigen mein Rucksackgewicht wieder zu reduzieren. Ich hab einfach zu viel Krempel angehäuft. So geht das nicht. Also wird abgespeckt und alles was ich nicht dringend brauche kommt in ein Paket, das ich voraus schicke.

Wir hitchen zurück nach South Fork und laufen von dort aus weiter. Der eigentlich Trail würde durchs absolute hoch Gebirge verlaufen und ist mit den Schneemassen derzeit unpassierbar. Daher laufen wir nach Creede. Es geht für 22 Meilen auf der Straße entlang. Die Route ist mehr oder minder recht eintönig. Dafür kommen wir auf der Straße sehr schnell voran und kommen am frühen Nachmittag in Creede an. Dieses kleine Städtchen gehört ab sofort zu meinen Lieblings Trail Towns. Direkt an den Berghängen gelegen und mit unglaublich netten Menschen, fühle ich mich hier sofort wohl.

Als wir Creede verlassen erwartet uns ein langer Aufstieg. Auf den nächsten 11 Meilen geht es stetig bergauf. Ab der hälfte liegt wieder eine geschlossene Schneedecke, die bei den Temperaturen schon leicht angetaut ist. Also rein in die Schneeschuhe. Doch auch die helfen irgendwann nur noch bedingt vorm post Holding (einsacken in den Schnee). Es wird ein wahnsinnig kräftezehrender Aufstieg. Unterwegs müssen wir dann zu ersten mal Schnee schmelzen um Wasser Nachschub zu bekommen. Hier fließt gerade kein Wasser mehr. Wenn ich mir die umliegenden Berghänge ansehe wird mir fast etwas mulmig zu mute. Das Lawinen Risiko ist enorm. Die Schneeüberhänge können leicht abgehen. An vielen Stellen ist das auch bereits passiert. Das einsetzte Tauwetter macht den Trail langsam gefährlich.

Um am nächsten Tag länger ohne Schneeschuhe laufen zu können, brechen wir schon um 4 Uhr morgens auf. Es ist noch stockdunkel und wir laufen durch ein sehr gefährliches und steiles Gebiet. Eher eine schlechte Idee die ich nicht wiederholen werde. Da der eigentlich Trail unter Meterhohem Schnee begraben ist, müssen wir uns unseren eigenen Weg durch dieses Anspruchsvolle Gelände bahnen. Zum Glück gibt es auch hier wieder ein paar Spuren der Hiker vor uns den wir folgen können. Es geht viel hoch und runter, in tiefe Täler und dann wieder hoch auf den Bergrücken. Auch wenn es echt anstrengend ist macht es mir irgendwie Spaß. Doch meine Begleitung hat heftig zu kämpfen und bricht bei den starken und anstrengenden Anstiegen immer wieder in Tränen aus. Sie ist eindeutig nicht in ihrem Element unterwegs. Als wir langsam die Höhe verlassen und der Schnee weniger wird, sehen wir hinter uns eine Bärin mit drei Jungen durch den Schnee stapfen. Diese schönen Tiere in freier Wildbahn zu sehen ist wirklich wunderbar.
Nachdem wir durch ein traumhaftes Tal gelaufen sind kommen wir am späten Nachmittag am Highway an. Ich möchte dem Trail weiter folgen bis zum Monarch Pass. Meine Begleiterin entscheidet sich für eine De-Tour um die Berge herum. Sie will und kann nicht mehr auf Schnee laufen. Also trennen wir uns mal wieder und ich mache mich alleine auf den Weg durch schöne aber auch sehr riskante Berge.
Es ist tatsächlich wieder schön allein zu sein. Ich fühle mich wieder leichter und freier. Kurz bevor die Schneedecke wieder beginnt, campe ich zwischen vielen Bäumen mit herrlicher Aussicht.

Die nächsten eineinhalb Tage kämpfe ich mich durch eine Wahnsinns Landschaft. Allerdings gehört dieser Abschnitt eindeutig zu den riskantesten Sachen die ich bisher gemacht habe. Ich laufe völlig allein. Die Schneemassen sind gewaltig und der Trail wird sehr gefährlich. Ich steige an Abhängen hinauf, von denen jederzeit eine Lawine losgehen kann. Hätte ich vorher auch nur eine Ahnung von dem gehabt was mich da erwartet, hätte ich das gelassen.
Ich komme am Ende meiner Kräfte am Monarch Pass an. Meine Begleiterin ist kurz vor mir dort angekommen und kommt mir etwas entgegen und baut mir auf dem zugeschneiten Trail schonmal einen Pfad. Der Hang ist so steil verschneit, das ich meine Schneeschuhe als Eisaxt verwende. Sonst käme ich gar nicht mehr voran.
Im Shop am Monarch Pass sinke ich in einer Ecke zusammen und rühre mich erstmal nicht mehr. Alle Kraft weicht aus mir und ich bin den Tränen nahe. Das ist wirklich meine absolute Grenzerfahrung.
Nach zwanzig Minuten komme ich langsam wieder zu mir und wir hitchen in Stadt. Nach Salida. Noch weiß ich es nicht aber hier endet der Trail für mich.

In Salida schlafen wir in einem schönen Hostel. Wir haben beide beschlossen das es keinen Sinn macht bei dem Schnee zu versuchen weiter auf dem Trail zu bleiben. Die beste Alternative ist es, ganz nach Norden, also ans andere Ende des Trails zu switchen und dann gen Süden zu laufen. Sie möchte diese riesen Entfernung per Anhalter fahren um Geld zu sparen. Ich hab zu sowas keine Lust. Zumal ich auch nicht mehr mit Ihr laufen möchte.
Für mich ist dieser Richtungswechsel des Trails kein richtiger Thru-Hike mehr. Ich entscheide mich für einen Abbruch des Trails.

13.06.2019

Sich für einen Abbruch zu entscheiden ist enorm schwer. Es gibt sehr viele Gründe und noch mehr Gedanken die mir durch den Kopf geschoßen sind. Unterm Strich bleibt es eine emotionale Entscheidung. Ich fühlte mich auf dem Trail einfach nicht wohl. Ich könnte es jetzt einfach nur auf meine Begleitung schieben die mich viel Kraft gekostet hat. Doch ich glaube es war auch lebensrettend für mich. Ich hätte den Trail weiter versucht zu laufen und wäre wahrscheinlich noch viel größere Risiken eingegangen, ob ich das dann überlebt hätte weiß ich nicht. Der Trail ist schon bei normalen Bedingungen riskant. Bei diesen Schneemengen war er Lebensmüde.
Es ist sehr wichtig seine Fähigkeiten richtig einzuschätzen und seine Grenzen nicht zu überschreiten. Ich habe auf diesem Trail meine persönlichen Grenzen sehr weit nach hinten verschoben und viel neues gelernt.

Eins bleibt sicher. Ich werden den Continental Divide Trail noch einmal gehen!