Katan Krater - Eilat

31.12.19

Waghalsig, irre, wahnsinnig, leichtsinnig, völlig abgefahren, spektakulär und einfach nur wow. Viel mehr kann ich schon fast nicht sagen über diesen Tag. Die Eindrücke sind einfach zu krass.
Schon der Vormittag bis zu meiner Wasserquelle an einer Fabrik mitten in der Wüste war atemberaubend. Es ging wieder in eine tiefe Schlucht hinein und das rausklettern hatte es in sich. Noch vor der Mittagspause bin ich auf eine Bergreihe gestiegen auf deren Gipfeln ich hoch über der Wüste laufen konnte. Die Aussicht hat mir den Atem genommen. Es war mega anstrengend auf dieser schrägen Fläche zu laufen, denn es gab nur selten einen echten Trail. Die Kletterpartien zwischen drin hatten es wirklich in sich. Kräfte zehrend und anspruchsvoll. Immer wieder ging es runter und entsprechend wieder hoch. Meine Kräfte wurde auf eine harte Probe gestellt.
Dann kam der endgültige Abstieg durch eine Schlucht bis ins Tal. Ich muss echt sagen das dieser Abschnitt meine Messlatte was brenzliche Situationen angeht nochmal deutlich verschoben hat. Es ging über fast senkrechte Platten nach unten. Die Schlucht war mit riesigen Felsblöcken gespickt über die es manchmal vorbei, rüber oder drunter durchging. Immer wieder gab es Spalten die unendlich tief zu sein schienen. Hin und wieder ging es nur an halte Griffen abwärts. Dann musste Ich erst wieder hoch kraxeln um durch feinstes Geröll runter zu rutschen. Es war wirklich angsteinflössend. Und ich hab nun wirklich schon ein paar riskante Sachen hinter mir. Doch das heute hat das alles nochmal getoppt. Der Tag wurde zum Ende etwas knapp. Die 38 Kilometer waren dann doch gut kalkuliert. Mit dem letzten Tageslicht baue ich völlig erschöpft mein Zelt auf. Meine Beine und Gelenke sind völlig im Ars…. Essen und schnell schlafen. Was ein Sylvester Tag.

1.1.2020

Frohes neues Jahr.
Ganz allein wache ich um fünf Uhr auf und starte mein morgen Program. Heut Mittag will ich Midreshet Ben Gerion erreichen. Dort treffe ich meinen Water Cache Mann.
Der Trail ist bis dahin völlig Flach. Die Umgebung ist dennoch der Hammer. Ich komme schon um elf an und stürme den Supermarkt. Leider kein Gas. Das soll um vier Uhr wieder kommen. Also zu meinem Trail Angel und erstmal duschen und Wäsche waschen.
Nachdem ich mit allem fertig bin mache ich mich schon wieder auf den Weg. Ich möchte noch kurz vor die Stadt laufen und dort campen. Dann ist der Start morgen leichter.

2.1.20

Der Trail verläuft von Oase zu Oase. Das Wechselspiel zwischen völliger Dürre und dem blühenden Leben der Wüste ist atemberaubend schön. Als ich mal wieder aus einem Canyon herausklettere, begegne ich einer Herde Steinböcke. Obwohl sie sich etwas vor mir erschrecken, bleiben sie auf dem Trail stehen bis ich auf etwa 4 Meter an sie ran komme. Solche schönen Tiere so aus der Nähe sehen zu können ist wirklich einmalig. Bereits mittags komme ich an meinem Night Camp an. Irgendwie bin ich zu schnell unterwegs. Das waren knapp 30 Kilometer in 7 Stunden. Ich spüre meine Greten entsprechend. Nur durch die vorgeschriebenen Zeltplätze ist mein normaler Rhythmus irgendwie völlig durcheinander. Auch wenn ich die Wüste sehr genieße wird mir während meines freien Nachmittages bewusst, das es langsam genug ist. Ich freue mich schon darauf in 8-10 Tagen endlich am Ziel zu sein.

4.1.20

Manchmal fühl ich mich hier draußen wie der letzte Mensch und ziemlich allein. Vor allem wenn ich an einem Ort campe wo es zwar laut Karte einen Campingplatz gibt, es hier vor Ort aber dann nicht danach aussieht als ob das stimmen würde.
Schon als ich heute Morgen aus Mitzpe Ramon losgelaufen bin, war das Wetter kalt und bewölkt. Ich hab anfangs echt gefroren und bin schließlich in meine Regenhose um den scharfen Wind nicht so zu spüren. Außerdem hab ich meine Daunenjacke anbehalten bis es gegen 10 Uhr langsam etwas besser wurde. Der Trail führt durch den Ramon Krater. Die Umgebung wirkt wie auf dem Mars. Steinig und unwirklich. Ich treffe auf ein deutsches Pärchen das ne kleine Wander Runde drehen möchte aber natürlich ohne Karte unterwegs ist. Also erkläre ich ihnen die Umgebung. Meinen eigentlichen Nacht Platz und Water Cache, erreiche ich schon mittags. Viel zu früh um schon anzuhalten. Auf der Karte sehe ich in 8 Kilometern eben diesen Platz an dem ich mich jetzt etwas fehl am Platze fühle. Es gibt immer wieder kleine Regenschauer. Besser gesagt es tröpfelt etwas. Bin auf die Nacht gespannt.

5.1.20

Auch wenn ich öfter mal wach geworden bin, war die Nacht sehr gut. Nach dem morgendlichen einpack Ritual laufe ich durch eine wunderschöne Wüste die von der Morgenröte gerade angestrahlt wird. Es geht auf einen Grat mit toller Aussicht hinauf. Ein irres Gefühl „über“ der Wüste zu laufen. Durch ein Flussbett erreiche ich meinen heutigen Water Cache und fülle mich und meine Flaschen wieder voll. Die Landschaft bleibt spektakulär und ich komme sehr schnell voran. Daher beschließe ich am Nachmittag einen stop in Sappir und bei mc Donalds einzulegen. Eine Stunde genieße ich den Trubel und das Wlan bevor ich mich auf die Suche nach einem Zeltplatz für die Nacht mache. Einen richtig tollen find ich nicht bevor es dunkel wird. Also muss ein halbwegs guter herhalten. Ich bin innerlich sehr aufgewühlt und kann nicht richtig einordnen warum. Und das wühlt mich noch mehr auf. Eine blöde Spirale. Hoffe, das ich mich noch vorm schlafen etwas sortiert bekomme.

6.1.20

Der Platz war zum schlafen besser als gedacht. Auch wenn ich etwas schief liegen musste. Heute steht der letzte große resupply an. In Zofar werde ich mich für fünf Tage eindecken. Ich werde nur noch an einem Kiosk mit Snacks vorbei kommen. Sonst muss jetzt alles mit. Der Supermarkt öffnet erst eine halbe Stunde später als gedacht. Leider wird das öffentliche Wlan so stark von jungen Leuten genutzt das es praktisch nutzlos ist. Meine Sim Karte ist vorerst leer und aufladen macht für die paar Tage keinen Sinn. Also muss ich mal gucken ob ich in den nächsten Tagen nochmal was finde um den Rückflug zu buchen.
Sonst verläuft der Trail heute nur auf einer Dirt road durch die Wüste. Ideal um einfach die Musik aufzudrehen und die Seele baumeln zu lassen. Am Barak Night Camp muss ich diesmal etwas nach meinem Wasser suchen. Gegen halb vier bin ich schon im Zelt und flicke meinen Müllsack den ich als Wasser Schutz im Rucksack verwende. Morgen gibt es ein paar schwimm Einlagen, da möchte ich dann doch das der Inhalt trocken bleibt.

7.1.20

Heute ist großer Badetag. Doch zuerst verlasse ich mein Camp und schaffe es meine Windjacke zu verlieren. Die ersten paar Kilometer des Tages fluche ich in mich hinein. Naja shit happens. Dann erreiche ich die erste Schlucht. Sie ist nur ein paar Meter breit und ich darf viel klettern, dafür ist sie extrem hoch. Wirklich imposant. Hier kommt auch der erste natürliche Pool. Er ist zum Glück nur Hüfte tief und nur ein paar Schritte weit ist die Leiter, auf der ich mit nassen Schuhen nach oben klettern darf. Bis zur Hüfte nass laufe ich mich im Wind trocken. Kaum weicht die letzte Feuchtigkeit aus meiner Hose erreiche ich die zweite Schlucht. Jetzt muss ich runter anstatt rauf. Es sind zum Glück viele Griffe in die Felsen geschlagen. Trotzdem ist das mit Rucksack ne echte Herausforderung. Als ich dann eine Leiter runter klettere liegt unter mir ein weiterer Pool. Nur dieser hat keinen Grund. Mit Klamotten und Rucksack gleite ich hinein und schwimme die drei vier Züge zum anderen Ufer. Toll, jetzt bin ich am ganzen Körper nass. Die Sonne ist heut sparsam, dafür bläst der Wind um so stärker. Ich laufe richtig zügig um warm zu bleiben. Friere aber natürlich trotzdem.
Mittags sitze ich in einem Flussbett zur Mittagspause und ein Jeep kommt vorbei. Drinnen sitzt Alef. Er bietet Wüstentouren an und das schon in zweiter Generation. Er leistet mir beim Essen Gesellschaft. Da ich wieder viel zu früh am Night Camp ankomme, frage ich ihn ob er weiß ob das Shitin Desert Ashram offen ist und ob es da Wasser für mich gibt. Er kommt sofort ins schwärmen das das einer der schönsten Orte in der Wüste ist. Also laufe ich dort noch hin. Sind ja nur 15 Kilometer mehr.
Auf dem Weg wird der Wind immer stärker und die Wolken dichter und dunkler. Als ich ankomme stürmt es richtig. Das Desert Ashram ist ein kleines Hostel. Super gemütlich und mega freundlich. Für nur 15 Schenkel ( ca. 4€) kann ich im überdachten Beduin Zelt schlafen und sogar mit zu Abend Essen. Außerdem soll ich doch unbedingt zur meditations Runde um 18 Uhr kommen. Immer dienstags , also heute, ist sie was besonderes. Also gehe ich zu meinem ersten, zweistündigen, meditations retreat im Ashram. Allein bei dem Gedanken muss ich grinsen. Nach einer halbstündigen Erklärung, was heute gemacht wird, startet die aufwärm-Phase. Es wird getanzt zu super lauter Musik. Die ziemlich gut ist. Da mir nach 40 Kilometern die Füße ziemlich weh tun, breche ich nach ein paar Minuten das Tanzen ab. Eine Helferin fragt mich sofort ob alles ok ist. Nach ein paar ersten Atemübungen legen wir uns alle auf unsere Matratzen und fallen in die Meditation.
Ich kann nur jedem empfehlen so etwas mal mit zumachen. Aus Respekt vor den Teilnehmern gehe ich nicht darauf ein, was so passiert ist. Erfahrt es selbst. Ich fand es eine tolle Erfahrung.
Danach gab es dann das vegetarische Abendessen.
Es stürmt mittlerweile noch stärker und ich bin froh gut geschützt schlafen zu können. Nachts fängt es dann auch noch an zu regnen und um ein Uhr beginnt der Hahn zu krähen. Was eine Nacht.

8.1.20

The trail provides!
Ich verlasse den Ashram um sieben und laufe meinem nächsten Ziel entgegen. Einem Kamel Reiter Camp nahe Shaharut. Der Weg dorthin verspricht nichts aufregendes. Ich folge einer Dirt Road die parallel zu einer Straße verläuft. Vor zwei Tagen bin ich einem Belgier begegnet der seit drei Jahren hier in Israel lebt und seine Rente genießt. Er läuft immer ein paar Tage den Trail. Da er ohne Zelt und Schlafsack läuft lässt er sich von Trail Angels immer am Tages Ziel abholen. Deshalb lief er gestern hinter mir und kommt mir heute entgegen. Wir plaudern ein bisschen. Dann fragt er mich ob ich eine Patagonia Jacke verloren habe. Da holt er schon meine verloren geglaubte Windjacke aus seinem Rucksack. Ich falle vor lachen und Dankbarkeit fast auf die Knie. Ich freue mich so sehr und bedanke mich tausendmal. Er hat sie am Night Camp gefunden wo er sich hat absetzen lassen und hat von der Mini Größe der Jacke sofort an mich denken müssen.
Nach dem wir in entgegengesetzte Richtungen weiterlaufen, strahle ich nur so.
Der Trail kommt an diversen Militär Zonen, wo gerade Panzer Übungen laufen oder auch Schusswaffen abgefeuert werden. Nicht gerade der schönste Trail Abschnitt.
Ich komme am Kamel Camp an. Doch niemand ist da. Zum Glück gibt es dennoch Wasser und ich beschließe in einem der Beduinen Zelte zu schlafen. Der Sturm hat sich den Tag über nicht gelegt und vielleicht regnet es auch wieder. Da ist mir das große Zelt sicherer als mein kleines.

9.1.20

Irgendwie fühle ich mich heut morgen etwas schlapp. Ich komme nur langsam auf mein übliches Lauf Tempo und der gegen Wind macht es da auch nicht leichter. Der Trail geht viel hoch und wieder runter. Ich spüre ein leichtes Kratzen im Hals wenn ich tief einatme. Heute Nacht schlafe ich im Timna Park. Der ist zwar kostenpflichtig, dafür habe ich aber ein großes Blechdach über mir. Im anliegenden Restaurant gönne ich mir noch eine Pizza und lege mich um sechs in meinen Schlafsack.
Leider scheint dieser Platz keine Nachtruhe zu kennen. Immer wieder fahren Autos an und Leute bauen ihr Zelt unter dem Dach auf. Der Höhepunkt ist eine große Reisegruppe die um halb elf anrückt. Natürlich baut jeder ein Zelt auf. Direkt neben mir. Anschließend wird noch ausgiebig gegessen, gelacht und gequatscht. Erst um halb zwei kehrt langsam Ruhe ein. Ach hatte ich die Hunde erwähnt? Die nervten natürlich mit.
Naja, schlafen kann ich zum einen wegen der Leute nicht, zum anderen weil ich Fieber habe. Entweder meine Pool Party oder die Leute im Ashram haben mir was angehängt. Mir ist abwechselnd heiß und kalt, ich trinke viel und muss entsprechend oft raus. Was eine Nacht….

10.1.20

Insgesamt waren das vielleicht drei Stunden Schlaf. Aber immerhin, ich fühle mich nicht so schlecht wie ich befürchtet habe. In der Nacht hat es kräftig geregnet. Bei leichtem Nieselwetter schlurfe ich kraftlos auf den Trail. Die Felsen wechseln hier ständig ihre Farbe. Genau wie der Sand unter den Füßen. Ich laufe wie auf Autopilot. Vor mir liegen 30 Kilometer. Normalerweise nicht wild. Doch ohne Kraft und bei recht anspruchsvollem Terrain, geht es bei mir ziemlich an die Substanz. Jedesmal wenn ich bergauf gehen muss brennt mein entzündeter Hals. Als ich nur noch 10 Kilometer entfernt bin, treffe ich in der Schlucht auf ein holländisches Pärchen. Sie sind das erste mal in den Bergen. Ihr Handy hat kein Strom mehr. Sie haben weder Wasser noch essen dabei und haben keine Ahnung wie die zurück zum Parkplatz finden sollen. Ich klemme mir die beiden unter die Arme und bringe sie zum nächsten Abbieger der zur nahegelegene Straße führt.
Um halb vier komme ich völlig erschöpft an meinem letzten Night Camp an. Ein letztes Mal das Zelt aufbauen.

11.1.20

Die Nacht war stürmisch und verregnet. Die Luftfeuchtigkeit so hoch das sich viel Kondenswasser im Zelt sammelt. Es tropft mir gelegentlich ins Gesicht. Der Morgen ist dafür schön klar und ich starte meine letzten 14 Kilometer. Ich fühle mich völlig ausgelaugt. Mein Hals schmerzt immer noch extrem. Natürlich steigt der Trail jetzt erstmal steil ab durch eine enge Schlucht mit vielen Klettereinlagen. Ich hab echt schiss mal daneben zu treten so unkoordiniert wie ich gerade bin. So lange es flach ist oder bergab geht, fühlt sich mein Hals und meine Lunge noch recht gut an. Doch dann kommt ein ordentlich Aufstieg. Ich hab zwischendurch wirklich das Gefühl da nicht hoch zu kommen. Meine Kräfte erlahmen immer wieder. In kleinsten Schritten klettere ich den Anstieg hoch. Oben falle ich fast um und brauch erstmal ne lange Pause. Zum Glück kommt nur noch zum Schluss ein leichter Aufstieg, den ich auch ganz gut wegstecke. Ansonsten zeigt sich der Trail nochmal von seiner schönsten Seite strahlender Sonnenschein. So lässt sich die Aussicht auf den Golf von Akabar genießen.
Dann endlich ist Zieleinlauf. Ich erreiche den Strand. Was ein tolles Gefühl, nach den Strapazen endlich hier zu sein. Nach meinem Ziel Foto steige ich in den nächsten Bus, der mich nach Eilat bringt. Hier übernachte ich noch einmal bevor es dann wieder auf den Weg nach Deutschland geht.
Was ein Trail….